Was du als Produktmanager*in über die Wettbewerbsanalyse jenseits klassischer Feature-Vergleiche wissen solltest
Die Wettbewerbsrecherche und natürlich auch Analyse der gesammelten Informationen gehört zum Daily Business im Produktmanagement. Natürlich solltest du deine Hauptwettbewerber gut kennen und über die Vorzüge und Nachteile gegenüber deinen Produkten Bescheid wissen.
Die Bedeutung der Wettbewerbsanalyse geht jedoch weit über das einfache Benchmarking hinaus. Deshalb brauchst du im Produktmanagement eine Erweiterung deiner Wettbewerbsanalyse Methoden und Toolbox.
Wie das? Lass mich dazu einmal die Wettbewerbsanalyse in den Produktmanagement-Kontext einordnen.
Über den Produktmanagement-Prozess und mein Verständnis davon habe ich bereits in einem anderen Blogartikel geschrieben. In aller Kürze: Für mich verläuft gelingendes Produktmanagement in einem Kreislauf aus Iterationen und Rückkopplungen. Es ist eben kein linearer Prozess, keine einmalige Aufgabe und damit auch nicht zu verwechseln mit einem Projekt.
Mit der Markt- und Wettbewerbsanalyse verhält es sich ganz genauso. Sie bildet die Basis für alle Strategien und Maßnahmen, die durch das Produktmanagement geplant und angestoßen werden.
Allerdings geht es eben nicht nur darum, (einmalig) Informationen zu sammeln, sondern vor allem auch sie auszuwerten, zu interpretieren und besonders anderen im Team oder im Unternehmen zugänglich zu machen, sie zu diskutieren, zu ergänzen und weiterzuverarbeiten. Nur so entsteht ein Erkenntnisgewinn. Und dieser Erkenntnisgewinn fließt erneut in die Strategien und Maßnahmen ein. Daraus entstehen neue Informationen in der Interaktion mit Kunden und Marktteilnehmern über die Wirksamkeit der Strategien und Maßnahmen. Und der Kreislauf beginnt von Neuem.
Die Wettbewerbsanalyse ist also kein Projekt, sondern im Zusammenhang mit der Marktanalyse eine kontinuierliche Aufgabe.
Welche Wettbewerbsanalyse Methoden und Tools du kennen und anwenden solltest
Analyse heißt Daten und Informationen in einen Zusammenhang zu bringen und zu interpretieren. Es geht hier nicht um den reinen Wettbewerbsvergleich, wer die besseren technischen Parameter aufzuweisen hat, um dann gleich aufzuziehen und dem Wettbewerb hinterher zu hecheln. Sondern es geht darum, anhand der Analyse dann auch Strategien zu entwickeln und Maßnahmen zu definieren, wie man von einem Status Quo aus sinnvoll weitermachen kann. Und das fängt schon mal damit an, überhaupt einmal zu bestimmen, wer eigentlich der Wettbewerb ist?
Dafür gibt es unter den Wettbewerbsanalyse Methoden und Tools den Klassiker, den jeder, der schon mal irgendeinen Managementkurs besucht hat, kennt und jetzt wissend nickt: Die Branchenstrukturanalyse bzw. Porter’s 5 Forces. Da liegt auch gewissermaßen die Krux dieses Tools: Jeder kennt es, aber die wenigsten arbeiten praktisch damit.
Dr. Herbert Lippmann hat das Prinzip der Branchenstrukturanalyse noch etwas praktischer und greifbarer als Marktmodell zusammengefasst, das die verschiedenen Analysefelder aufzeigt.
Jedes Marktmodell muss individuell für den Produkt- und Unternehmenskontext erstellt und analysiert werden, eben je nach dem, was auf die jeweilige Produkt-Markt-Kombination zutrifft. Meistens fokussieren wir uns in der Praxis auf die direkten Wettbewerber, vielleicht noch auf die bekannten Substitute. Dass aber an noch einigen weiteren Stellen Druck und Zug entstehen kann, bleibt häufig außer Acht. Das ist gefährlich.
(Kleine Notiz am Rande: in meinem Trainingsprogramm Product Management UPGREAT lernst du u.a. wie du mit dem Marktmodell und den weiteren hier genannten Methoden arbeiten kannst.)
Was man immer bei der Wettbewerbsbetrachtung oder Analyse bedenken muss, ist, dass es nicht darum geht, was der Wettbewerb besonders gut oder schlecht kann im Vergleich zum eigenen Unternehmen oder Produkt.
Sondern es geht vielmehr darum, zu verstehen, was für den Kunden relevant ist und WARUM sich die Kunden für das eine oder andere Produkt entscheiden. Es geht also um folgende Frage: Welchen Fortschritt will der Kunde für sich erreichen? Was ist die Aufgabe, die das Produkt für den Kunden erfüllen soll?
(Mehr zum Thema Kundenzentrierung und der hier angedeuteten Jobs-to-be-done-Theory findest du in diesem Blogartikel.)
Wichtig dabei: Die Aufgabe, die das Produkt für den Kunden erfüllen soll, ist etwas Konsistentes. Sie ist immer da. Nur die Art und Weise, wie sie erledigt wird, kann sich verändern. Es geht also eben nicht darum, welches Produkt ähnliche Leistungsmerkmale hat oder mit welchem Produkt die Kunden „zufriedener“ sind.
Gerade wenn es darum geht, neue Produkte bzw. Innovationen auf den Weg zu bringen, sind Wettbewerbsvergleiche nicht die richtigen Quellen. Dazu passt auch der berühmte Ausspruch von Baseball-Legende Yogi Berra: „Wir haben uns verlaufen, aber wir kommen gut voran.“
Es geht um mehr als nur Features
Es kommt gar nicht immer so sehr darauf an, wer das beste Produkt am Markt hat, also auf die Features. Sondern es kommt auf das Wertangebot an sich an und wie das Produkt beim Kunden ankommt. Perception is reality. Das schließt das gesamte Drumherum mit ein und welche Anforderungen, Wünsche und Schmerzpunkte die jeweilige Zielgruppe hat.
Ja, wir reden hier vom sogenannten Product-Market-Fit, also dem Zusammenbringen des passenden Produktes bzw. Wertangebots mit dem dafür richtigen Markt. Um diesen herauszuarbeiten eignet sich z.B. das Tool des Value Proposition Canvas von Alexander Osterwalder und Yves Pigneur sehr gut. Es stellt das Wertangebot dem Zielkundenprofil gegenüber und überprüft, ob es einen entsprechenden Match gibt.
Du hättest dieses Tool jetzt absolut nicht mit Wettbewerbsanalyse in Verbindung gebracht? Richtig. Es gehört auch überhaupt nicht zu den typischen Wettbewerbsanalyse Methoden. Sondern ein Tool, mit dessen Hilfe überprüft werden kann, inwiefern ein Wertangebot die Kundenwünsche und -probleme erfüllen bzw. lösen kann.
Wenn es im Hinblick auf die Entwicklung von Strategien, Maßnahmen und, ja, auch neuen Produkten und Innovationen doch darum gehen soll, die Tretmühle aus Wettbewerbsvergleichen und Benchmarkings zu durchbrechen und vom Kunden- und Anwender-Nutzen her zu denken und zu handeln, dann muss ich auch entsprechend die Perspektive wechseln und andere Tools einsetzen.
Warum dann also das Value Proposition Canvas nicht auch einmal – zusätzlich zum eigenen Produkt – für Wettbewerbsprodukte erstellen, um zu schauen, wer die Kunden-Jobs, Schmerzen und Wünsche eben besser erfüllt? Genau darum geht es ja bei der Wettbewerbsanalyse.
Ich habe es oben zu Beginn des Artikels bereits erwähnt: Wettbewerbsanalyse ist kein Projekt, sondern eine kontinuierliche Aufgabe. Eine gute Markt- und Kundenkenntnis bildet die Basis für alle Aktivitäten im Produktmanagement. Und diese Kenntnis entsteht eben kontinuierlich. Meine Empfehlung an meine Kund*innen und Trainings-Teilnehmenden lautet auch immer, mind. 20-30% der Zeit im Markt zu verbringen. Produktmanagement ist kein Bürojob.
Perspektivwechsel weg vom Produkt hin zum Kunden
Wenn man diesen Perspektivwechsel vom Wettbewerbsvergleich vom Produkt aus gesehen zum Wettbewerbsvergleich vom Kunden aus gesehen – oder anders gesagt: weg vom Lösungsdenken hin zur Kundenorientierung – geschafft hat, und dann eben auch die entsprechende Daten- und Informationsbasis hat, dann kann man mit den weiteren Klassikern der Analysetools zur Strategie-Entwicklung wie der Produktlebenszyklus-Analyse, der Portfolioanalyse (BCG & McKinsey), der Positionierungsmatrix oder SWOT-Analyse, die ich mal als das „Kleine 1×1 im Produktmanagement“ bezeichnen möchte, sehr gut und zielgerichtet weiterarbeiten.
Diese Wettbewerbsanalyse Methoden haben nach wie vor ihren Stellenwert in Theorie und Praxis. Auch der Trainingsbedarf ist nach wie vor hoch, weil es eben einen Unterschied macht, ob ich in der Theorie bzw. im Studium oder Seminar mal etwas davon gehört habe oder ob ich sie auch praktisch anwenden kann und so auch ihren praktischen Nutzen ausschöpfen kann.
Hinzukommen dann noch weitere Tools und Methoden aus dem nutzerzentrierten agilen Kontext, die auch sehr praktikabel und gut auf physische technische Produkte angewendet werden können, wie z.B. das Impact Mapping oder auch das Story Mapping. Auch sie sind überhaupt keine üblichen Wettbewerbsanalyse Methoden, sondern vielmehr sogenannte Sense-Making-Tools. Sie helfen dabei, einen Sinn und Zusammenhang herzustellen zwischen dem Marktwissen und dem Innovationsvorhaben (bzw. Ideen zur Produktverbesserung) des Unternehmens.
Was ich damit sagen möchte ist, Tools gibt es viele. Als findige*r Produktmanager*in bist du in der Lage, die richtigen Tools und Methoden auszuwählen, in eine logische Reihenfolge zu bringen, miteinander zu kombinieren und zu adaptieren, so dass sie für deine Produkt-Markt-Kombination und deine Zielsetzung dienlich sind. Weil du eine entsprechende kundenzentrierte, strategische Denkweise entwickelt hast.
In diesem Mindset-Shift, weg von der Lösung, den Features und Funktionen hin zur Kunden- und Anwenderperspektive, liegt ein ganz wesentlicher Schlüssel in Richtung nachhaltigen Erfolgs. So macht es auch der kleine Zeh oben im Comic von Tom Fishburne.
Solltest du auf der Suche nach einem modernen Trainingskonzept sein, das dir die hier genannten Denkweisen und Tools näherbringt, das Handling der Tools vermittelt und mit dir übt und dich außerdem in den Erfahrungsaustausch mit anderen Produktmanager*innen bringt, dann ist mein Trainingsprogramm Product Management UPGREAT interessant für dich. Schau es dir an und vereinbare einen persönlichen Kennenlerntermin.
Bis bald, Bernadette