5 Best Practices von Erwin Matys
Featuritis ist ein nur allzu bekanntes und leider ziemlich hartnäckiges Symptom im Produktmarketing von technologisch anspruchsvollen Produkten und Dienstleistungen.
Nicht nur was kommuniziert wird, sondern auch wie, also mit welchen Kanälen und Instrumenten, ist im B2B-Marketing etwas komplexer. Gerade Technologie-Produkte und spezielle Dienstleistungen im Industriebereich lassen sich nicht mit simplen Broschüren, blumigen Texten oder Social Media Postings vermarkten. Es erfordert sehr viel mehr Knowhow und Geduld.
Ist das Teil des Jobs im Produktmanagement? Selbstverständlich!
Produktmarketing ist wesentlicher Bestandteil der Go-to-Market-Strategie. D.h. es umfasst alle Aktivitäten, die gezielt darauf ausgerichtet sind, Wertangebote kundenorientiert zu gestalten und zu vermarkten. Damit ist es maßgeblich für den Markterfolg.
Der bekannte Produktmanagement und Produktmarketing Experte Erwin Matys teilt mit uns seine 5 Best Practices für erfolgreiches Produktmarketing erklärungsbedürftiger Produkte.
Best Practice #1: Wann ist ein Produkt „erklärungsbedürftig“?
„Erklärungsbedarf ist eine Eigenschaft des Empfängers, nicht des Produkts“, sagt Erwin Matys. D.h. die Produktinformationen, die den Kunden und Interessenten vermittelt werden sollen, sollten sich an deren Kenntnissen orientieren. Gerade im B2B-Marketing nehmen mehrere Stakeholder Einfluss auf die Kaufentscheidung, alle mit unterschiedlichem Informationsstand. Die Maßnahmen in einem erfolgreichen Produktmarketing müssen zielgerichtet daran angepasst werden. Zielgruppenspezifischen Kommunikation und Argumentation lautet hier die Empfehlung.
Best Practice #2: Warum sollten wir unser Produkt-Expertenwissen hintenanstellen?
Als Produktmanager*innen sind wir natürlich Spezialisten in Bezug auf unser Produkt. Wenn wir nun darüber reden, ist es nur natürlich, dass wir wichtiges Vorwissen ausblenden, weil wir es als selbstverständlich und gegeben hinnehmen. Das ist nur menschlich, denn wir beschäftigen uns ja jeden Tag mit unserem Thema. Dabei vergessen wir jedoch, dass unsere Adressaten im Produktmarketing eben genau dieses Vorwissen möglicherweise gar nicht haben. Wir setzen einen viel höheren Kenntnisstand voraus. In der Folge wird unsere Kommunikation nicht richtig verstanden. Die Marketingmaßnahmen bleibt unwirksam.
Deshalb solltest du im Produktmarketing nicht einfach so Annahmen über die Adressaten treffen und zu viel voraussetzen, sondern die Maßnahmen am Kenntnisstand der Interessenten ausrichten.
Best Practice #3: Wie gelingt die Zielgruppenansprache?
Weil wir unser Produkt kennen und lieben, sprechen wir auch gerne darüber, vor allem über die technischen Details. Erwin Matys vergleicht das mit einem Schmerzmittel: Wenn ich starke Kopfschmerzen habe, interessiert mich die pharmazeutische Zusammensetzung der Pille herzlich wenig. Vor allem nicht, wenn ich keinen Zusammenhang zu meinen Kopfschmerzen herstellen kann (Stichwort Kenntnisstand) und ich nicht einschätzen kann, ob und wie mir das helfen kann. Ein Austausch über die Art und Intensität meiner Kopfschmerzen, erregt jedoch mein Interesse und baut Vertrauen auf, so dass ich auch zur angebotenen Lösung aka Pille greife.
Für das Produktmarketing heißt das nun ganz konkret, dass du die Zielgruppe mit ihren Themen, die sie aktuell beschäftigen, abholen musst und so auch die Kommunikation einleiten musst. Produktinfos kommen erst sehr viel später im Dialog zu Tage.
Best Practice #4: Wann kommt die Message bei der Zielgruppe an?
„Probieren geht über Studieren“ sagt man im Volksmund. Das gleiche gilt für das Produktmarketing erklärungsbedürftiger Produkte. Langweile deine Zielgruppe nicht mit theoretischen und abstrakten Ausführungen zu deinem Produkt. Schaffe stattdessen Erlebnisse in der Interaktion mit dem Produkt. D.h. lass die Zielgruppe das Produkt in der Anwendung ausprobieren und erfahren.
Das kann manchmal sehr viel Kreativität erforderlich machen, besonders wenn es nicht so ohne weiteres geht, einen Interessenten das Produkt einfach ausprobieren zu lassen. Ich habe z.B. einmal eine Virtual Reality Animation entwickeln lassen, um ein bestimmtes Feature eines chirurgischen Lasers erlebbar zu machen. So konnte das Feature und vor allem sein Nutzen auch auf Kongressen und Messen gezeigt werden, wo nicht einfach so ohne Schutzmaßnahmen mit einem Laser herumhantiert werden kann.
Best Practice #5: Was hat Produktmarketing mit Vertrauensbildung zu tun?
„Know-Like-Trust-Buy“ lautet die Erfolgsformel im Produktmarketing. Vertrauen spielt eine ganz wichtige Rolle für die Kaufentscheidung. Je höher das Investitionsvolumen oder je komplizierter und komplexer das Produkt, desto wichtiger ist das Vertrauen in der Geschäftsbeziehung. Der Prozess der Vertrauensbildung dauert entsprechend eine gewisse Zeit lang. Je besser die Interessenten ihr Problem, den Nutzen des Produkts und vielleicht auch das Produkt selbst verstehen, je besser sie die Problemlösungskompetenz des Unternehmens erkennen, desto mehr Vertrauen gewinnen sie.
Für das Produktmarketing bedeutet das, dass der Dialog mit den Interessenten lange genug aufrechterhalten werden sollte.
Die Meetups sind ein interaktives Format für den Erfahrungsaustausch unter Produktmanager*innen, weshalb es normalerweise keine Aufzeichnung gibt.
Dieses eine Mal haben wir jedoch eine Ausnahme gemacht. Im Video kannst du den kurzen Impulsvortrag von Erwin Matys noch einmal nachhören.
Im Anschluss an den Vortrag haben sich die Teilnehmenden in Breakout Sessions zu den einzelnen Best Practices ausgetauscht und ihre eigenen Erfahrungen miteinander geteilt. Wenn du auch einmal bei einem Meetup dabei sein möchtest, dann schau gleich hier einmal nach, welche Themen demnächst anstehen.
Vielen Dank an Erwin Matys für den wertvollen Input und die interessante Diskussion mit knapp 100 teilnehmenden Produktmanager*innen. Das Meetup war definitiv ein Highlight.
Erwin Matys ist langjähriger Spezialist für die Vermarktung von hochwertigen Produkten und Dienstleistungen. Er begleitet Geschäftsführer, Marketingleiter und Produktmanager dabei, ihre Marketing- und Kommunikationsziele zu verwirklichen. Erwin Matys lebt und arbeitet als Consultant in Wien und ist Autor des Praxishandbuch Produktmanagement.
Falls die sehr empfehlenswerte Lektüre allein dir doch nicht weiterhilft, noch ein Hinweis:
Solltest du oder dein Team aktuell die Herausforderung im Produktmarketing haben, dass deine Botschaften nicht richtig ankommen, dann schau dir mein Angebot für einen Inhouse Workshop an.
Mit den richtigen Tools und Vorgehensweisen an der Hand entwickelst du zusammen mit dem Marketing Kommunikationsmaßnahmen, die wirken und organisierst Product Launches, die die Kunden und Vertriebspartner begeistern und die auch intern so schnell keiner mehr vergisst.
Am besten du vereinbarst dir gleich einen Kennenlerntermin.
Bis bald, Bernadette