Stressprävention und Resilienz im Produktmanagement
Es ist endlich Sommer und die Ferienzeit beginnt. Auch ich freue mich auf eine Auszeit. Die erste Jahreshälfte hatte es in sich. Ich hatte viele Trainings und durfte mit tollen Produktmanager*innen zusammenarbeiten. Gleichzeitig habe ich neue Themen angestoßen und Projekte weiter vorangetrieben.
Privat war auch viel los. Wir hatten ständig ungebetenen Besuch von diversen Viren und Bakterien, die allesamt eine fröhliche Welcome-Back-Party bei uns gefeiert haben. Mit anderen Worten, es war stressig und anstrengend. Da kann man schon mal an den Rand der eigenen Kräfte geraten.
Als Produktmanager*in kennst du diesen Spagat wahrscheinlich auch sehr gut. Machen wir uns nichts vor, Produktmanagement ist cool und macht Spaß und ist gleichzeitig ziemlich herausfordernd. Denn Produktmanager*innen wie du leisten einen wertvollen Beitrag zum Unternehmenserfolg. Ständig stehst du im Spannungsfeld hoher, zeitkritischer und oft gegensätzlicher Anforderungen. Nicht alle Meetings und Termine mit deinen Stakeholdern und Teamkolleg*innen sind lustig. Da braucht es auch mal eine ordentliche Portion Frustrationstoleranz und Widerstandsfähigkeit. Eine daraus resultierende Überbelastung kann kritische Folgen haben, sowohl für dich persönlich als auch für das Unternehmen, in dem du tätig bist.
Jeder Mensch erlebt Stress individuell und entwickelt entsprechend eigene Strategien zum Umgang mit Stress. Ein wichtiger Faktor für den erfolgreichen Umgang mit Stress ist Resilienz – ein Begriff, den einige vielleicht bereits aus der Materialforschung kennen. Vor ein paar Jahren war das Wort in Zusammenhang mit Stress noch ein Fachbegriff unter Psycholog*innen. Heute können sicher mehr Leute etwas damit anfangen, denn Resilienz ist fast schon eine Schlüsselkompetenz, auch oder gerade für gestresste Produktmanager*innen.
Deshalb war es mir wichtig, die Themen Stressprävention und Resilienz im Produktmanagement im PRODUCT LOUNGE Meetup am 21.06.23 aufzugreifen. Als Expertin zu Gast war meine liebe Freundin Elina Stoll. Ich kenne Elina schon fast mein ganzes Berufsleben lang. Sie ist mir in Punkto Lebensfreude und persönliche Weiterentwicklung schon lange ein Vorbild. Sie hat uns einige praktische Tipps und Tricks gezeigt, um Stress im Alltag vorzubeugen und die eigene Resilienz zu stärken.
Das ist nicht nur für dich selbst relevant, sondern auch für dein Team. Denn als Produktmanager*in bist du durchaus in einer Führungsrolle und hast ein Interesse daran, dass dein Team fit und motiviert an der Umsetzung eurer Projekte und Ideen arbeitet. Auch als Führungskraft im Produktmanagement bist du deinen Mitarbeitenden gegenüber in der Verantwortung.
Psychische Erkrankungen sind bereits seit einigen Jahren die zweithäufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit, noch vor den Erkältungskrankheiten. Im Gegensatz zu einem Schnupfen, ist in diesen Fällen eine Rückkehr an den Arbeitsplatz auch nicht einfach nach ein paar Tagen wieder möglich. Der Arbeitsausfall kann mehrere Wochen oder sogar Monate lang sein. Es ist also wichtig, auf das eigene Stresslevel und das deiner Teammitglieder zu achten.
Was ist Stress?
Stress ist per se nichts Schlechtes. Wir brauchen sogar ein gewisses Maß an Stress, um gute Leistungen zu erbringen, für unser Wohlbefinden und unsere Kreativität. Nur wenn wir auf Dauer zu viel Stress ausgesetzt sind, laufen wir Gefahr, in den sog. Burnout zu geraten. Bei zu wenig Stress andererseits drohen die Langeweile und der sog. Boreout. Es geht also um die Balance, das richtige Maß und die Fähigkeit, sich immer wieder einzupendeln.
Um das hinzubekommen, müssen wir verstehen, dass Stress eine physiologische und psychische Reaktion des Körpers ist, die durch das vegetative Nervensystem gesteuert wird. Das vegetative Nervensystem ist ein Teil des peripheren Nervensystems, der automatisch und unbewusst viele lebenswichtige Körperfunktionen reguliert. Es besteht aus zwei Hauptkomponenten: dem Sympathikus und dem Parasympathikus.
Der Sympathikus ist für die Aktivierung des Körpers in stressigen Situationen verantwortlich und wird oft als „Kampf- oder Fluchtreaktion“ bezeichnet. Wenn wir unter Stress stehen, setzt der Sympathikus Stresshormone wie Adrenalin frei, erhöht die Herzfrequenz, weitet die Atemwege, steigert die Durchblutung der Muskeln und erhöht die Aufmerksamkeit und Wachsamkeit. Diese körperlichen Reaktionen bereiten den Körper darauf vor, mit der stressigen Situation umzugehen.
Der Parasympathikus dagegen ist für die Entspannung und Erholung des Körpers zuständig. Er wirkt gegen den Sympathikus und fördert die Ruhe und Regeneration. Wenn die stressige Situation vorbei ist, übernimmt der Parasympathikus die Kontrolle, um den Körper wieder in den Normalzustand zu versetzen. Er senkt die Herzfrequenz, verlangsamt die Atmung, erhöht die Verdauungstätigkeit und fördert die Entspannung.
Ein gesundes Gleichgewicht zwischen Sympathikus und Parasympathikus ist wichtig, um den Körper in verschiedenen Situationen angemessen zu regulieren. Permanenter oder übermäßiger Stress kann jedoch zu einer Dysregulation führen, bei der der Körper dauerhaft in einem Zustand der Überaktivität oder Anspannung bleibt. Wir kommen nicht mehr runter. Das kann negative Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit haben. Als „Gegenmaßnahmen“ greifen wir dann oft auch noch zu ungünstigen Mitteln, wie Schokolade oder Alkohol, um uns scheinbar etwas „Gutes“ zu tun. Die körperliche Konstitution verschlechtert sich dadurch ja nur noch mehr.
Resilienz als wichtige Kompetenz gegen Stress (nicht nur) bei Produktmanager*innen
Der Begriff basiert auf dem lateinischen „resiliere“, was „zurückspringen“ oder „wieder auf die Beine kommen“ heißt. Resilienz ist also die Fähigkeit, wieder aufzustehen, wenn es dich einmal sozusagen umhaut.
Resilienz ist damit eine Schutzfunktion, die dir als eine Art innere Ressource auch in schwierigeren Zeiten als Orientierung dient und dich somit widerstandsfähiger macht. Resilienz ist dabei keine angeborene Eigenschaft, sondern eine Fähigkeit, die lebenslang erlernt und entwickelt werden kann. Menschen können durch Erfahrungen, Lernen aus Rückschlägen und den Aufbau von Bewältigungsfähigkeiten ihre Widerstandsfähigkeit stärken und sich besser auf zukünftige Herausforderungen vorbereiten.
Wie kann Resilienz gestärkt werden?
Resilienz kann durch gezieltes Training und Stärkung der sog. sieben Resilienzfaktoren entwickelt werden.
Diese Faktoren umfassen:
- Optimismus: Die Fähigkeit, Herausforderungen als vorübergehend und lösbar zu betrachten und positive Ergebnisse zu erwarten.
- Akzeptanz: Die Bereitschaft, unveränderbare Situationen anzunehmen und mit ihnen umzugehen, anstatt gegen sie anzukämpfen.
- Selbstwirksamkeit: Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Probleme zu bewältigen und Einfluss auf die eigene Lebenssituation zu nehmen.
- Soziale Unterstützung: Das Aufbauen eines unterstützenden Netzwerks aus Familie, Freunden und Gemeinschaft, das in schwierigen Zeiten Unterstützung bietet.
- Anpassungsfähigkeit: Die Fähigkeit, sich flexibel an neue Situationen und Veränderungen anzupassen und daraus neue Lösungswege zu finden.
- Selbstfürsorge: Die Wichtigkeit, für sich selbst zu sorgen und physische, emotionale und mentale Bedürfnisse zu erfüllen.
- Zukunftsorientierung: Den Blick auf langfristige Ziele und Perspektiven richten, um Hoffnung und Motivation für die Zukunft aufrechtzuerhalten.
Indem man diese Faktoren gezielt in den Alltag integriert und daran arbeitet, kann die eigene Resilienz gestärkt werden.
Im Meetup selbst sind wir auf die beiden Resilienzfaktoren Akzeptanz und Selbstwirksamkeit etwas näher eingegangen. Wenn du die Aufzeichnung von Elinas Impulsvortrag anschauen möchtest, schreibe mir gerne eine Email an hallo@productlounge.net.
Welche kurzfristig wirksamen Tipps gibt es gegen Stress im Produktmanagement?
Einfach mal aufstehen, sich strecken und dehnen, eine Vagusnerv Stimulation machen (findest du im Video), vielleicht sogar ein kleiner Spaziergang helfen dabei, dich aus einem Stressgefühl zu befreien.
Dann nimm dir auch kurze Momente der Achtsamkeit, in denen du bewusst ein Glas Wasser trinkst oder einen Tee. Mach dir dabei den Geschmack und das Gefühl auf der Zunge ganz bewusst. Oder schließe kurz die Augen, Atme tief und bewusst, denke an etwas Schönes. Hänge dir auch ein schönes Bild über deinem Schreibtisch auf oder als Hintergrundbild deines Desktops, das du immer wieder anschauen kannst, um dich einen Moment in das Hier und Jetzt und die Ruhe zu bringen.
Vielen lieben Dank an Elina Stoll für die interessanten Impulse, Tipps und Übungen zum Umgang mit Stress und der Stärkung der eigenen Resilienz. Wie gesagt, kannst du dir den ganzen Vortrag inkl. der Übungen als Aufzeichnung anschauen. Schicke mir dazu einfach eine Email an hallo@productlounge.net.
Elina hat Psychologie studiert und ist zertifizierte Trainerin für Krankenkassen-geförderte Kurse nach § 20 SGB V im Bereich Resilienz und Stressprävention. Mithilfe von Erkenntnissen aus der Psychologie unterstützt sie Menschen mit den Belastungen des Alltags besser umzugehen und ihre psychische Widerstandskraft zu fördern. Darüber hinaus berät sie als Freiberuflerin KMU im Bereich des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM). Bevor sie sich fachlich der mentalen Gesundheit gewidmet hat, war sie viele Jahre als Managementassistenz auf verschiedenen Hierarchieebenen tätig. Mehr über sie findest du auf ihrer Website.
Der Vortrag von Elina liefert dir das Grundlagenwissen zum Umgang mit Stress. Wenn du dich jetzt fragst, wie du ganz konkret mit deinem Stress als Produktmanager*in umgehst, möchte ich dir noch vier weitere Reflexionsfragen mit auf den Weg geben:
- Was genau stresst dich in deiner Arbeit als Produktmanager*in?
- Wie klar bist du dir über deine Rollen und Aufgaben?
- Bist du aktiver Treiber für den Erfolg deiner Produkte oder wirst du getrieben?
- Managst du aktiv deine Stakeholder oder wirst du wie ein Punching-Ball hin und her geschubst und arbeitest Aufträge ab?
Denn eines kann ich dir aus meiner eigenen Erfahrung selbst und der Zusammenarbeit mit vielen Produktmanager*innen sagen: Typische Stressfaktoren speziell im Produktmanagement liegen unter anderem in der fehlenden Klarheit über Kompetenzen, Rollen und Aufgaben bei dir als Produktmanager*in und auch bei anderen Abteilungen. Mit Struktur, Methodik und effektiven Vorgehensweisen hast du schon einige Stellhebel, mit denen du deinen Arbeits-Stress reduzieren und deine Selbstwirksamkeit erhöhen kannst.
Ich habe hier 4 weiterführende Links für dich zu einem sehr hilfreichen Artikel meines Mentor und Kollegen Erwin Matys und drei Angeboten von mir, wie ich dich und dein Team in dieser Hinsicht unterstützen kann:
- Artikel „Stressmanagement für Produktmanager“ von Erwin Matys
- PM Lab zum Thema Erfolgsfaktoren für ein wirksames Produktmanagement
- Trainingsprogramm Product Management UPGREAT
- Teamworkshop zur Festigung des Produktmanagements in der Organisation
Bei Interesse oder Fragen melde dich gerne. Denn Produktmanagement muss nicht stressig sein. Ich freu mich auf dich.
Bis bald,
Bernadette