Was ist User Experience (UX)? Was hat das mit Produktmanagement zu tun? Und warum sollten sich Produktmanager*innen mit UX beschäftigen?
Diese Fragen haben wir im PRODUCT LOUNGE Meetup am 22.2.23 zusammen mit Katharina Liedl diskutiert. Sie verbindet als ProdUXt Ownerin für Unternehmen in Software-Projekten die Product Owner Rolle mit User Experience Mindset.
Um die Pointe gleich vorweg zu nehmen: Produktmanagement und User Experience brauchen sich gegenseitig, um richtig gute und nachhaltig erfolgreiche Produkte auf den Weg zu bringen.
Warum? Weil Produktmanagement ohne User Experience funktionale Produkte schafft, die die Benutzer nicht begeistern, und User Experience ohne Produktmanagement schicke und coole Produkte produziert, die kein Business werden.
Aber von vorn:
Was ist User Experience überhaupt?
Wörtlich übersetzt heißt User Experience „Nutzererlebnis“ und meint damit das Erlebnis, das eine Person hat, während sie mit einem Produkt interagiert. Die ISO Norm 9241-210 definiert den Begriff entsprechend:
“User Experience umschreibt alle Aspekte der Eindrücke und das Erlebnis eines Nutzers bei der Interaktion mit einem Produkt, Dienst, einer Umgebung oder Einrichtung.”
Obgleich der Begriff User Experience sehr häufig im Zuge der Entwicklung von Software-Produkten genannt wird, zeigt diese Definition deutlich, dass UX eben nicht darauf beschränkt ist. Ein Nutzererlebnis hat man mit jeder Art von Produkt. Nehmen wir z.B. eine Straßenlaterne: Steht die Laterne mitten im Weg oder kann ich als Spaziergänger gut daran vorbei? Spendet die Laterne zur richtigen Tageszeit Licht? Ist das Licht zu grell oder angenehm? Das ist User Experience und sie ist immer da. Sie kann sowohl richtig gut als auch einfach miserabel sein. Es geht dabei um das Erleben des Produkts, um die Emotionen, die damit verbunden sind, und wie das Produkt auch erinnert wird.
Im Produktmanagement kennen wir auch den Begriff der Customer Experience. Wie lassen sich diese Begriffe voneinander abgrenzen?
Customer Experience (CX) ist ein ganz ähnlicher Begriff. Beide beschreiben das Erleben. Allerdings ist die Perspektive der Person, die das Erlebnis hat, eine andere. Während es bei der User Experience einzig und allein um den Anwender geht, beschreibt die Customer Experience das Erlebnis des Kunden bei seinen verschiedenen Touchpoints mit dem Unternehmen insgesamt, z.B. auch im Angebotsprozess oder im Reklamationsfall. User Experience bezieht sich rein auf das Produkt, Customer Experience mehr auf das Unternehmen bzw. das Wertangebot insgesamt.
Die UX ist neben der CX gerade auch im B2B-Bereich sehr wichtig, da die UX ein wichtiges Sales-Argument ist. Der User soll und will ja seine Aufgabe mit dem Produkt bestens und zufrieden erfüllen. Das macht ihn effektiver und effizienter, was wiederum einen Mehrwert für das kaufende Unternehmen (= Kunde) darstellt.
UI, UX, Usability – ist das alles das gleiche?
UX wird häufig in einem Atemzug mit UI genannt. Damit ist das User Interface gemeint. Diese beiden Begriffe sind keinesfalls gleichbedeutend und sollten auch nicht verwechselt werden. Währen UX das gesamte Nutzererlebnis meint, beschränkt sich der Begriff User Interface (UI) auf die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine, über die der Nutzer mit dem Produkt interagiert. D.h. das User Interface ist greifbar und beschreibt auch die Funktion des Produkts, während User Experience auf die Lösung eines Problems abzielt und eher konzeptionell ist.
Usability meint die Gebrauchstauglichkeit, d.h. es geht um die Frage, wie schnell und reibungslos kann ein Nutzer sein Ziel erreichen aka seine Aufgabe erfüllen, wenn er mit dem Produkt interagiert. Während es bei Usability mehr um Ergonomie geht, beinhaltet die User Experience darüber hinaus auch positive Gefühle, wie z.B. Spaß bei der Benutzung.
UI und Usability können demnach als Teilbereiche der User Experience verstanden werden, zu der noch viele weitere Themen und Begriffe gehören.
Was nützt uns nun User Experience?
Es gibt immer eine User Experience. D.h. der Nutzer hat immer irgendeine Art von Erlebnis mit dem Produkt. Sei es ein gutes oder ein schlechtes. Deshalb geht es bei allen Maßnahmen und Überlegungen rund um das Thema User Experience immer darum, wie ein gutes Nutzererlebnis geschaffen werden kann.
Wenn wir über den Nutzen von User Experience sprechen wollen, dann über den Nutzen von guter User Experience. Dieser lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Gute User Experience…
- löst echte Probleme der Anwender und gibt so dem Produkt einen Sinn und Mehrwert
- reduziert Kosten für das Unternehmen, z.B. im Customer Service, weil weniger Fehler und Probleme mit dem Produkt entstehen
- führt zu mehr Kundenzufriedenheit, Kundenbindung wie auch Weiterempfehlung und damit zu mehr Umsatz
- führt dazu, dass die richtigen Features und Funktionen im Produkt umgesetzt werden, weil ein tiefes Verständnis der Kunden und Anwender vorliegt
Welche Rolle spielt hier das Produktmanagement?
User Experience ist nicht nur eine Aufgabe, sondern vor allem ein Mindset, das sich Produktmanager*innen unbedingt aneignen sollten. Sie sind das Ohr am Markt und die Stimme der Kunden und Anwender im Unternehmen. Dabei brauchen gerade die Anwender eine starke Interessenvertretung, da sie eben diejenigen Stakeholder sind, die nie mit am Besprechungstisch sitzen und sich Gehör für ihre Anforderungen und Bedürfnisse verschaffen können. Deshalb müssen sie bewusst mitgedacht und eingebracht werden vom Produktmanagement. Das gelingt z.B. auch, indem User Experience zu einem Kriterium zur Priorisierung von Anforderungen gemacht wird.
Heißt das, Produktmanagement kümmert sich um die User Experience?
Ja, im Sinne des kunden- und anwenderorientierten Mindsets, allerdings nicht unbedingt im konkreten Doing. Hierfür gibt es spezialisierte Kolleg*innen im Bereich UX Design, UX Research oder auch UX Writing.
Eine Studie der Nielsen Norman Group hat zwar deutlich gezeigt, dass sich Produktmanager*innen und UXer in ihrem eigenen Aufgabenverständnis zwar ziemlich häufig in einigen Bereichen überschneiden, wir möchten es jedoch als wertvolles Miteinander und Sparring verstehen.
UX darf mehr in das Bewusstsein der Produktmanager*innen vordringen. UX darf auch zu einem Aspekt der Produktstrategie werden, indem sich Produktmanager*innen Gedanken dazu machen, wie sich ein Produkt „anfühlen“ soll, d.h. welche Emotionen und Erinnerungen mit der Benutzung verbunden sein sollen. UX Expert*innen dürfen als wertvolle Mitglieder des Produktteams gesehen werden, die mit ihrer Expertise in Sachen Product Discovery/ User Research zu einem besseren Verständnis der Anwenderprobleme beitragen und die die inhaltliche Struktur und Architektur der Produkte entwerfen, um so viel bessere Produkte zu entwickeln.
Produktmanagement ist entsprechend eine umfassende, eher generalistische Aufgabe, die sich die spezialisierten Kompetenzen und Know-how der UX Expert*innen unbedingt zu nutzen machen sollte.
Ein ganz herzliches Dankeschön an Katharina Liedl für den wertvollen Input und die interessante Diskussion im Anschluss. Mehr über sie und ihre Arbeit findest du auf ihrer Website.
Wenn du beim nächsten PRODUCT LOUNGE Meetup gerne live dabei sein möchtest und auch sonst kein Meetup mehr verpassen willst, dann trage dich gleich in den Newsletter ein oder trete der Meetup Gruppe bei. Du erhältst dann deine persönliche Einladung.
Bis bald,
Bernadette
P.S. Wenn du den ganzen Impulsvortrag von Katharina im Meetup #21 noch einmal anschauen möchtest, schreib uns eine Email an hallo@productlounge.net. Wir schicken dir gerne den Link zur Aufzeichnung zu.