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Während meines Zoom Calls mit Michael Engler, bei dem wir das April Meetup zum Thema Usability und den Bezug zu Produktmanagement gemeinsam besprechen und vorbereiten, wird meine Waschmaschine fertig und fängt an, in Dauerschleife super nervig zu piepsen. Dieses hohe, nervige Piepsen, das direkt auf das zentrale Nervensystem drückt und mich fast zum Explodieren bringt, weil ich mich nicht mehr auf mein Gespräch konzentrieren kann… Aaahrggg…
Zu Beginn des Meetups, das am 26.04.23 stattgefunden hat, erzähle ich von einem Beispiel aus der Medizintechnik. Es geht um einen OP-Tisch, dem eine wichtige Funktion für die Bildgebung während der OP fehlt. Das Feature wird nachträglich als Accessory hinzugefügt und damit am eigentlichen Anwendungsfall total vorbei designt. Es ist schlichtweg nicht zu gebrauchen. Eine echte Facepalm-Erfahrung für mich.
Und es gibt noch viel mehr solcher Beispiele: nutzerunfreundliche Bediendisplays, umständliche Verpackungen, nervige Armaturen in Hotelbädern oder schwer verständliche Multifunktionslenkräder… Du kennst bestimmt auch so ein Produkt und ärgerst dich regelmäßig darüber, wenn du es benutzt. Ein Produkt mit einer miserablen Usability.
Im Februar Meetup haben wir bereits über User Experience gesprochen und wie wichtig es ist, sich bei der Produktentwicklung genau zu überlegen, wie ein Produkt erlebt werden soll, d.h. auch welche Emotionen damit verbunden sein sollen.
Im April Meetup mit Michael Engler haben wir daran angeknüpft und das Thema Usability Engineering vertieft. Wir sind der Frage nachgegangen, welche Rolle Usability im Produktmanagement spielt und wie wir Usability in die Produktentwicklung integrieren können.
Denn es gibt Bereiche, in denen ist schlechte Usability nicht nur ein Ärgernis für den Benutzer, sondern tatsächlich auch ein Risiko, weil keine Fehler passieren dürfen. Z.B. in der Medizintechnik. Klar, da geht es um Menschen. Aber auch im Maschinenbau und anderen Branchen ist es ärgerlich, wenn durch einen Bedienfehler etwas kaputt oder schief geht.
Es liegt also auf der Hand, dass Usability ein wichtiges Thema ist, mit dem wir uns als Produktmanager*innen befassen dürfen. Michael ist Experte für Usability Engineering und hat sehr viel Erfahrung in der Medizintechnik. Er zeigt uns auf, wie man mit Hilfe von UX und Usability Engineering zu “gebrauchstauglichen” Produkten kommt. Das ist ein sperriges Wort, das jedoch elementar wichtig für den Produkterfolg ist. Denn Produkte mit mieser Usability stiften nicht den Nutzen, den sie sollten. Schlimmstenfalls müssen sie sogar wieder vom Markt genommen werden.
Als Produktmanager*in ist das nicht nur von besonderem Interesse für dich, du spielst auch eine wichtige Rolle in der Umsetzung von Usability Engineering.

Wenn wir ein Produkt oder auch einen Service betrachten, dann ist dieses Produkt immer auch in einen Kontext eingebettet. D.h. es gibt ein Drumherum, z.B. bestimmte räumliche Gegebenheiten oder Situationen, in denen das Produkt oder der Service benutzt werden. Der Kontext ist also die Umgebung des Produkts. Auch die User gehören zum Kontext. Sie verfolgen bestimmte Ziele oder haben Aufgaben zu lösen, bei denen ihnen das Produkt helfen soll. Um diese Ziele und Aufgaben genau zu verstehen, ist es wichtig, den Kontext zu begreifen und genau zu analysieren.
Hier kommt die Usability ins Spiel. Sie hilft uns dabei, die Gebrauchstauglichkeit und Benutzerfreundlichkeit der Produkte zu messen und zu bewerten. Dazu spielen drei Aspekte eine zentrale Rolle:
Weitere Aspekte sind die Accessibility (Barrierefreiheit), die User Experience (das Gefühl, das bei der Nutzung entsteht) oder auch die Vermeidung von Schäden durch den Gebrauch.
Ganz wichtig hier auch noch mal zu verstehen, ist die Unterscheidung zwischen Kunden und Anwendern (= User oder auch Benutzer). Gerade im B2B Bereich ist die Person, die eine Kaufentscheidung trifft, eine völlig andere als die Person, die das Produkt benutzt. Diese beiden Personen haben unterschiedliche Interessen und beide sind natürlich interessant für die Produktentwicklung. Im Zuge des Usability Engineering konzentrieren wir uns rein auf die User. Es geht um die Benutzung des Produkts, weshalb die Kunden an dieser Stelle einmal außen vor bleiben sollen.
Das Usability Engineering ist in die User Experience eingebettet. Sie bildet sozusagen die Klammer um Usability Engineering. Während sich Usability hauptsächlich auf die Effektivität, Effizienz und Zufriedenheit, mit der User bestimmte Ziele erreichen können, bezieht, umfasst die User Experience ein breiteres Spektrum an Aspekten, die das gesamte Erlebnis eines Benutzers mit einem Produkt oder einer Dienstleistung beeinflussen. Sie beinhaltet die emotionalen, ästhetischen und psychologischen Reaktionen der User sowie ihre Wahrnehmung, Meinungen und Eindrücke.

Die Verbindung zwischen User Experience und Usability kann anhand der drei Schritte Anticipated Use, Actual Use und Perception and Responses to Use erklärt werden:
Die User Experience geht über die reine Benutzerfreundlichkeit hinaus und umfasst auch die emotionalen und ästhetischen Aspekte der Benutzerinteraktion. Eine gute Usability bildet allerdings die Grundlage für eine positive User Experience, indem sie sicherstellt, dass User ihre Ziele effektiv und effizient erreichen können. Usability ist messbar und kann mit Hilfe von Fragebögen ermittelt werden. De facto ist Usability ein ZDF-Thema (ZDF = Zahlen, Daten, Fakten).
In manchen Branchen, wie der Medizintechnik, ist die Usability tatsächlich durch Normen vorgeschrieben. Es müssen im Zuge der Produktentstehung immer wieder Usability Tests durchgeführt werden, um die Zulassung für die Produkte zu erhalten.
Natürlich sollte dein Interesse als Produktmanager*in an einem benutzerfreundlichen Produkt, das die Anwender begeistert, das sie gerne benutzen und auch an andere weiterempfehlen, über Regulierung und Vorschriften hinaus gehen. Du möchtest ja, dass dein Produkt erfolgreich ist, Marktanteile gewinnt und den Wettbewerb abhängt. Die Usability kann dafür durchaus ein Stellrädchen sein, an dem du drehen kannst. Dass dein Produkt also eine hervorragende Usability hat, liegt ganz in deinem Interesse. Es geht um bessere Produkte.
Jetzt allerdings Obacht, wenn du Produktmanager*in für global vermarktete Produkte bist: Usability ist kulturabhängig. Klar, denn Usability basiert auf Vorwissen und der antizipierten Nutzung. Die hängt wiederum davon ab, was in einer Kultur und Gesellschaft als üblich gilt. So ist z.B. der rote Not-Aus-Knopf für die Menschen in Japan durchaus verwirrend missverständlich. Während rot in unserer Kultur „Gefahr“ bedeutet, steht die Farbe in Japan für Anfang und Beginn (siehe auch die rote aufgehende Sonne in der japanischen Flagge). Auch das runde Türklinken-Design in USA verwirrt uns Deutsche. Sehen wir einen Knauf, nehmen wir an, dass wir ohne Schlüssel diese Tür nicht öffnen können, da wir nicht davon ausgehen, dass der Knauf drehbar ist. Diese Dinge gilt es herauszufinden. Der Methodenkoffer eines Usability Engineers sieht dazu Interviews, Fokusgruppen, Feldbesuche, Expertenbewertungen oder Usability Tests mit Prototypen vor. Als Produktmanager*in darfst und solltest du dich in diese Research-Aktivitäten involvieren, damit du neben deinem Marktwissen über Kunden und Wettbewerber, auch tiefgreifende Kenntnisse über die Anwender deines Produkts erlangst.
Bezüglich der Usability Tests ist es wichtig, vor Ort und immer mit echten Usern zu testen – nicht nur wegen der Kulturabhängigkeit, sondern auch weil nur echte User Fails und Verbesserungspotentiale aufdecken. Das liegt nicht zuletzt daran, dass du und deine Kolleg*innen aus Entwicklung, Vertrieb und Applikation viel zu viel Expertenwissen über das Produkt habt. Das folgende Youtube-Video demonstriert anschaulich, was ich meine 😉:
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenDas soll jetzt allerdings nicht heißen, dass Usability Tests nur am Ende der Produktentwicklung stehen, wenn das Produkt bereits (fast) fertig ist. Ganz im Gegenteil! Je früher Usability Tests gemacht werden, auch schon mit frühen Konzepten und Mock-Ups, desto bessere Ergebnisse bringen diese Tests, weil sie echte Erkenntnisse liefern. Der Return on Investment der Usability Tests ist also größer, je früher sie im Produktentstehungsprozess eingesetzt werden.
„Schöner Scheitern“ lautet hier Michaels Devise, weil Usability Engineering uns wichtige Erkenntnisse über unser Produkt liefert, und zwar nicht erst am Ende der Produktentwicklung kurz vor Launchtermin, sondern von Anfang an.

Ein ganz herzliches Dankeschön an Michael Engler für den wertvollen Input und den sehr unterhaltsamen Vortrag.
Michael ist geschäftsführender Gesellschafter und Senior Consultant bei der Benkana Interfaces GmbH & Co. KG mit dem Fokus auf Human Factors und Usability Engineering. Mit mehr als fünfzehn Jahren Erfahrung berät, schult und coacht er Medizintechnik-Unternehmen. Für den TÜV Rheinland und den TÜV SÜD hält er Seminare zu den Themen Entwicklung medizinischer Software und Usability Engineering für Medizinprodukte. Er engagiert sich im Normungsgremium DKE/UK 811.4 „Ergonomie, Gebrauchstauglichkeit, Gebrauchsanweisung“ und ist Vorsitzender des Arbeitskreises Medizintechnik der German Usability Professionals Association. Mehr über ihn und seine Arbeit findest du auf seiner Website.
Wenn du beim nächsten PRODUCT LOUNGE Meetup gerne live dabei sein möchtest und auch sonst kein Meetup mehr verpassen willst, dann trage dich gleich in den Newsletter ein. Du erhältst dann deine persönliche Einladung.
Bis bald,
Bernadette
P.S. Wenn du den ganzen Impulsvortrag von Michael im Meetup #23 noch einmal anschauen möchtest, schreib uns eine Email an hallo@productlounge.net. Wir schicken dir gerne den Link zur Aufzeichnung zu. Im Video geht Michael auch noch etwas tiefer auf den Prozess des Usability Engineerings ein und die Unterschiede zwischen Usability Engineering und Design.
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